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„Beim Fasten geht es nicht um die Reduktion, sondern um die Fülle im Leben. Der freiwillige Verzicht macht frei von Abhängigkeiten. Was das Fasten für den Körper, ist die Meditation für die Seele“, sagt Sr. Huberta Rohrmoser, Marienschwester vom Karmel, die gemeinsam mit Elisabeth Rabeder im Curhaus Bad Mühllacken Wochen zum Thema „spirituelles Fasten und Kneippen“ leitet.

Die Wahrnehmung mit allen Sinnen, das Ankommen in der Gegenwart, im eigenen Körper, bei seinen tiefsten Sehnsüchten und der inneren Kraftquelle, sind Ziele beim spirituellen Fasten. „Meditation und Kontemplation fördern diese Haltung der Achtsamkeit, des Präsent-Seins im Jetzt. Es gilt in dieser Fastenwoche keine Erwartungen zu erfüllen oder irgendetwas zu erreichen. Jeder sollte einfach nur ganz DA sein, mit all seinen Gefühlen, Gedanken und Fragen, die ihn beschäftigen. Es geht um die Erfahrung des Augenblicks ohne Gedanken an die Vergangenheit und Bilder für die Zukunft. Es gibt nur einen Moment zu (er)leben und der ist jetzt“, sagt Meditations- und Exerzitienleiterin Sr. Huberta. Beim Fasten wie beim Meditieren schaltet man von der Außenversorgung/Außenwahrnehmung auf die Innenversorgung/Innenwahrnehmung um.

Offen für das vertrauliche Gespräch

Viele Menschen kommen zum spirituellen Fasten in einer schwierigen Lebensphase oder in einer, wo eine Neuorientierung ansteht.  Da hilft diese Innenschau, bei der unser Verstand und das Gedankenkarussel langsam zur Ruhe kommen. Mancher erfährt dabei eine Klarheit und es kommt eine Veränderung im Leben in Gang.

„Ich bin für die Teilnehmer da und offen für Gespräche. Bei vielen ergeben sich Themen, Sorgen oder Ängste, die sie mir anvertrauen wollen. Das Reden alleine kann schon ein wenig mehr Ordnung und Klarheit im Kopf bringen.  Auch die Kneipp-Anwendungen sind meditativ und unterstützen Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis. Nach einem Wickel oder Guss müssen die Gäste ruhen. Dieses Ruhen und der Stille zu lauschen, das muss mancher erst wieder lernen“, erzählt die Meditationsleiterin.

Oftmals tauchen die wesentlichen Fragen des Lebens in der Fastenwoche auf: Was gibt meinem Leben Sinn? Lebe ich so, wie ich es eigentlich will? Bin ich geliebt? Wie soll die Reise im Leben weitergehen?

Verzicht und Rückzug dienen letztendlich der eigenen Lebendigkeit und dem Umgang mit Gefühlen und Gedanken. Keiner soll Wut, Trauer, Neid, Enttäuschung, Kränkung etc. unterdrücken oder sich dafür schämen. Negative Gefühle sind da, man soll sie wahrnehmen, aber ihnen nicht zu viel und zu lange Aufmerksamkeit schenken, sonst bleibt man in seelischen Zuständen hängen, die einem nicht gut tun und runterziehen. Diese Lebenskunst kann man lernen und üben. „Wir sind Leib-Geist-Seele-Wesen und können uns bewusst für eine Grundhaltung im Leben entscheiden. Man kann im Vertrauen sein oder im Misstrauen. Man darf wählen, ob man die Liebe oder eher die Angst als Berater wählt. Jeden Tag können wir uns neu entscheiden. Dazu braucht es aber die gute Selbstwahrnehmung“, sagt Sr. Huberta, die ermutigt zu seinen Gefühlen zu stehen und jedem einräumt, auch einmal mit Gott kräftig zu schimpfen, wenn etwas im Leben schief läuft.

Sich bewusst für eine Lebenshaltung entscheiden

Sr. Huberta hat selbst schon zwei Krebserkrankungen und somit Höhen und Tiefen durchgemacht. „Nach 12 Jahren kehrte der Krebs wieder und ich hatte natürlich Angst, noch dazu, war die Prognose eine düstere. Auch ich habe mich damals sehr bewusst für die Haltung des Vertrauens, dass alles was kommt seinen Sinn hat, und gut ist, egal wie die Sache ausgeht, entschieden. Ich habe mir dazu ein Plakat gezeichnet, das ich noch heute, nach 20 Jahren, hängen habe. Und wenn sich wieder einmal Angst in mir breit machen will, dann hilft mir diese Zeichnung, meine Entscheidung für das Vertrauen zu erneuern und zu bekräftigen. Es ist ein lebenslanger Prozess, welche Lebenseinstellung und Grundhaltung ich wähle. Das gehört zu unserer Persönlichkeitsentwicklung.“

Spiritualität hat nicht unbedingt mit Religiosität zu tun

Beim spirituellen Fasten ist jeder willkommen. Die Sehnsucht zu ergründen, ob es etwas größeres Ganzes gibt, hat wohl jeder, unabhängig von Religion und Glauben. Es geht darum diesen göttlichen Funken, die Schöpferkraft, das Göttliche, das Universelle oder wie man es auch nennen mag, in sich zu entdecken, diese bedingungslose n Liebe zu spüren und ihr zu vertrauen. „Ich glaube, jedem Menschen ist die tiefe Sehnsucht nach dem Leben, der Liebe und Gott inne. Für mich ist Gott, ein Gott des Lebens, der Lebendigkeit und der Fülle im Jetzt“.

Meditation und Kontemplation

Auf dem Weg zu sensibler Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis sind Meditation, Kontemplation und meditativer Tanz bei den Fastenwochen gute Werkzeuge. „Der Tag beginnt mit achtsamen Körperübungen. Beim  Mittagessen wird geschwiegen. Ich leite die Gäste an, beim Essen achtsam wahrzunehmen, zu schmecken, zu schauen, zu riechen, zu sehen und zu spüren. Das bringt sie ganz in das Jetzt“.

In den täglichen Meditationen richten die Menschen ihre Wahrnehmung nach Innen. „Ich nutze zwei Arten, um vom Denken in das Wahrnehmen zu kommen. Die angeleitete Meditation mit Bildern, Texten und Musik mit anschließender Stille. Sie bringt einen vom Kopf in das Herz. Die zweite Art in die Tiefe zu spüren, ist die Kontemplation. Die bewusste stille Wahrnehmung von Natur, Körper und Atem bringen immer in die Gegenwart, weg vom Denken. Die Kontemplation ist realitätsbezogen, weil man sich zum Beispiel auf den Klang eines Wortes oder auf den Atem sammelt,“ sagt Sr. Huberta. Der meditative Tanz ist ein Gemeinschaftserlebnis, das eine entspannte Atmosphäre der Geborgenheit, des Getragenseins schafft.

Die Frage, warum das Fasten und spirituelle Angebote zusammenpassen, beantwortet Sr. Huberta so: „Fasten und Meditieren bzw. Kontemplieren ergänzen sich wunderbar und machen die körperlich-geistig-seelische Reinigung noch effektiver. Das Umschalten von Außen nach Innen passiert durch die Kombination auf unterschiedlichen und mehreren Ebenen. So kommt man intensiver und vielleicht leichter sich selbst, dem Leben und damit auch Gott oder der Verbundenheit mit allem was ist, näher. “